Schleichender Burn-out? Mit diesen 12 Fragen kannst du erkennen, wo du stehst
Oft beginnt es mit der Euphorie im neuen Job: Stelle dir diese Fragen, um zu erkennen, wie nah du der völligen Erschöpfung wirklich bist.
Vor einiger Zeit begleitete ich einen erfolgreichen Klienten, der nach außen ein perfektes Leben führte. Er erzählt mir, dass ihn nach einer Präsentation in Frankfurt, die er als „Standardpräsentation und glatten Durchmarsch“ bezeichnete, seine langanhaltende Erschöpfung einholte: Er saß am Bahnsteig und konnte nicht in den Zug steigen. Tatsächlich sah er nicht nur zu, wie der Zug ohne ihn nach Hamburg fuhr – er saß noch 2 weitere Stunden dort und konnte nicht aufstehen.
Sein anhaltendes Streben nach Erfolg und Anerkennung hatte ihn dazu getrieben, seine Grenzen zu überschreiten. Chronischer Stress begleitete ihn, doch er wollte „keine Schwäche zeigen“. Er ignorierte die Signale seines Körpers, der mit anhaltenden Schlafproblemen, ständigen Rückenschmerzen und steigenden Stimmungsschwankungen bereits alarmierende Anzeichen sandte. Dieser Moment am Bahnsteig wurde zu einem Weckruf, der ihm die Augen öffnete und die dringende Notwendigkeit zur Selbstfürsorge verdeutlichte.
Reflektion statt Totalausfall
Erfahrungsgemäß ist es nicht immer einfach zu erkennen, ob man sich auf einem Weg zum Burn-out befindet. Die Anzeichen können subtil sein und sich schleichend manifestieren. Es gibt verschiedene Modelle, die diesen schleichenden Prozess beschreiben, ich arbeite bevorzugt mit dem 12-Phasen-Modell nach Freudenberger/North.
Das Modell nutze ich auch gern in Firmenseminaren, da es häufig ein erster Schritt zur Selbstreflexion ist, wenn die Teilnehmenden insgeheim versuchen, ihre eigene Station zu bestimmen. Und selbst für Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden noch nicht als wichtigsten Faktor erkannt haben, ist Dauerstress nicht erst bei einem „Totalausfall“ wie dem Burn-out kritisch. Auch die verringerte Produktivität (in diesem Modell ab etwa Phase 4) kommt niemandem zugute.
Von der Euphorie in die Erschöpfung
Dabei beginnt die Entwicklung häufig euphorisch. Ein neues Projekt, ein neuer Job, eine neue Lebenssituation beginnt und der Wunsch nach Anerkennung treibt zu hohem Engagement. Wenn dazu dann Stressverschärfer wie beispielsweise Perfektionismus, innere Antreiber, Einzelkämpfertum oder Kontrollstreben kommen, kann sich die Situation schleichend zum Burnout entwickeln.
Die 12 schleichenden Phasen eines Burnouts
🌡️ Phase 1: Überengagement und überhöhte Erwartungen
Auf der ersten Etappe dieses schleichenden Weges zum Burnout steht der starke Wunsch, sich zu beweisen. Die Arbeit wird zu einer zentralen Lebensaufgabe und der Drang, die persönlichen Fähigkeiten und Leistungen zu beweisen, wird zur treibenden Kraft.
Frage dich: „Setze ich mir selbst oft zu hohe Ziele und spüre den Druck, mich ständig beweisen zu müssen?“
🌡️ Phase 2: Intensivierter Einsatz
Die zweite Phase zeichnet sich durch einen verstärkten Einsatz aus. Betroffene steigern ihre Anstrengungen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Der Arbeitsaufwand nimmt zu, während die Grenzen zwischen beruflicher und persönlicher Sphäre verschwimmen.
Frage dich: „Habe ich das Gefühl, dass ich immer mehr auf mich nehmen muss und meine Arbeitsbelastung stetig steigt?“
🌡️ Phase 3: Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
Mit fortschreitender Entwicklung rücken zunehmend die Bedürfnisse des eigenen Körpers und Geistes in den Hintergrund, während der Fokus weiterhin auf beruflicher Höchstleistung liegt.
Schlafmangel, unausgewogene Ernährung und mangelnde Bewegung aber auch regenerierende Freizeitaktivitäten und soziale Kontakte werden vernachlässigt, um mehr Zeit für die Arbeit zu gewinnen.
Frage dich: „Stelle ich Arbeit und Erfolg vor meine Gesundheit und mein Wohlbefinden?“
🌡️ Phase 4: Erhöhter Energieeinsatz
Die vierte Etappe ist durch einen noch höheren Energieeinsatz geprägt. Die steigende Belastung fordert ihren Tribut. Die Leistungsfähigkeit sinkt, was zu einem paradoxen Effekt führen kann: Trotz längerer Arbeitszeiten nimmt die Produktivität ab. Dabei wird Energie nicht mehr als Ressource betrachtet, sondern als unbegrenzt verfügbar.
Frage dich: „Arbeite ich immer länger und härter, ohne dass es sich wirklich auszahlt?“
🌡️ Phase 5: Neuinterpretation von Werten / Reizbarkeit / Verhaltensänderung
In Phase fünf erfolgt eine Umdeutung von Werten. Die ursprünglichen Prinzipien weichen einem veränderten Verständnis von Erfolg und Leistung. Gleichzeitig manifestiert sich auch eine emotionale Erschöpfung. Gefühle der Frustration, Gereiztheit und Hilflosigkeit treten verstärkt auf.
Frage dich: „Verändere ich meine früheren Prinzipien und merke, dass ich schneller gereizt und frustriert bin?“
🌡️ Phase 6: Verleugnung der Probleme
Vom Umfeld auf die Verhaltensänderung und das offensichtliche „zu viel“ angesprochen, werden Probleme in dieser Phase verleugnet. Trotz offensichtlicher Stresssymptome wird die Realität verzerrt wahrgenommen. Betroffene vermeiden bewusst, die existierenden Herausforderungen anzuerkennen.
Frage dich: „Ignoriere ich Warnsignale meines Körpers und leugne zunehmende Stresssymptome?“
🌡️ Phase 7: Rückzug
In der siebten Phase vollzieht sich ein deutlicher Rückzug. Soziale Aktivitäten und persönliche Beziehungen werden vernachlässigt, während Betroffene sich mehr und mehr in seine eigene Welt zurückziehen.
Auch das Interesse an beruflichen Aufgaben schwindet, und die einstige Passion wandelt sich in Desinteresse.
Frage dich: „Entferne ich mich bewusst von Freunden und Hobbys und finde immer weniger Freude an Dingen, die mir einst wichtig waren?“
🌡️ Phase 8: Erhöhte Ansprüche / Zynismus
Die achte Etappe ist gekennzeichnet durch erhöhte Ansprüche an andere. Negative Einstellungen gegenüber der Arbeit und Kollegen, aber auch gegenüber dem persönlichen Umfeld nehmen zu. Zynismus breitet sich aus, was die zwischenmenschlichen Beziehungen belastet.
Frage dich: „Empfinde ich wachsende Unzufriedenheit mit meiner Arbeit und meinen Kollegen und neige ich zu zynischen Bemerkungen?
🌡️ Phase 9: Depersonalisierung und Abbau kognitiver Fähigkeiten
Mit fortschreitender Entwicklung kommt es nun zu Depersonalisierung und einem Abbau kognitiver Fähigkeiten. Betroffene verlieren nicht nur den Bezug zu sich selbst, sondern auch zu ihrer Umwelt.
Frage dich: „Fühle ich mich oft entfremdet und stelle eine Abnahme meiner geistigen Leistungsfähigkeit fest?
🌡️ Phase 10: Innere Leere
Die zehnte Etappe offenbart eine innere Leere. Trotz äußerem Erfolg fühlen sich Betroffene zunehmend leer und ausgebrannt. Motivation und Freude weichen einem Gefühl der Leere. Dabei wird häufig mit letzter Kraft der äußere Schein aufrecht erhalten.
Frage dich: „Habe ich trotz Erfolgen das Gefühl von Leere und Sinnverlust?“
🌡️ Phase 11: Psychosomatische Reaktionen, z.B. Depression
Die negative Spirale erreicht ihren Höhepunkt mit einem drastischen Verlust des Selbstwertgefühls. Die eigene Leistung wird massiv infrage gestellt.
Dauerstress und Erschöpfung manifestieren sich immer mehr in psychosomatischen Reaktionen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Magenproblemen. Auch psychische Belastungen wie Traurigkeit bis hin zu Depressionen treten als Spiegel der seelischen Belastung auf.
Frage dich: „Stellen sich bei mir verstärkt körperliche oder seelische Schmerzen ein, die auf eine tieferliegende Belastung hindeuten?“
🌡️ Phase 12: Völlige Erschöpfung
Die finale Etappe markiert die völlige Erschöpfung. Der Körper und Geist haben ihre Grenzen erreicht. Ein Zustand, der spätestens jetzt dringend professionelle medizinische und psychologische Unterstützung erfordert, um den Weg der Regeneration einzuleiten.
Frage dich: „Bin ich am Punkt angelangt, an dem ich spüre, dass ich völlig ausgelaugt bin und dringend professionelle Hilfe brauche, um wieder zu meiner Kraft zurückzufinden?“
Gegensteuern – bevor der Zug abgefahren ist
Die Erkennung dieser Phasen kann dazu beitragen, frühzeitig gegenzusteuern. Eine ehrliche Selbstreflektion, Achtsamkeit und gesunde Prioritäten können dabei helfen, sich und dem Umfeld viel Leiden zu ersparen.
Und wer immer noch lieber in KPIs denkt: Dauerstress senkt die kognitiven und kreativen Fähigkeiten, die Motivation und die allgemeine Leistungsfähigkeit. Unternehmen, die ihre Krankheitsrate und Fluktuation senken und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz fördern wollen, sollten dringend auf Prophylaxe, Entstigmatisierung und eine offene Unternehmenskultur setzen, um einen nachhaltigen Ansatz für die Gesunderhaltung ihrer Mitarbeitenden zu finden.
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